Neue und in Entwicklung befindliche Therapieoptionen

Thalidomid

Thalidomid ist kein Zytostatikum im engeren Sinne, sondern wurde ursprünglich als Schlafmittel entwickelt. 1961 wurde Thalidomid vom Markt genommen, da die Einnahme des Medikamentes während der Frühschwangerschaft zu schweren Missbildungen führte. 1999 wurde erstmals eine Wirkung gegen Myleomzellen belegt, zurzeit wird Thalidomid aufgrund seiner Antitumor-Wirkung bei soliden und hämatologischen Krebserkrankungen intensiv erprobt. Es wird angenommen, dass Thalidomid auf die Krebszellen unter anderem durch die Hemmung der Gefässneubildung und der Zell-zu-Zell-Kontakte wirkt.

Etwa 30% der Patienten sprechen auf eine Thalidomid-Monotherapie an, einige sogar mit einer Komplettremission. Höhere Ansprechraten lassen sich durch die Kombination mit Dexamethason und anderen Zytostatika erzielen. Um Nebenwirkungen, wie z. B. die Schädigung von Föten während einer Schwangerschaft, zu vermeiden, ist die Abgabe von Thalidomid an ein strenges Sicherheitssystem gebunden. Aufgrund der Nebenwirkungen bei hohen Dosierungen wird Thalidomid meist mit reduzierter Dosis eingesetzt. Neue Thalidomidanaloga (ImiDs) sind zurzeit in klinischer Erprobung.

Lenalidomid (Revlimid®)

Lenalidomid (Revlimid®) ist eine sogenannte Immunmodulatorische Substanz. Das heisst, dass Revlimid die Funktion des Immunsystems beeinflussen kann. Die Wirkungen sind vielfach, wobei es unter anderem sowohl zur Wirkung gegen den Tumor, wie auch zu anti­entzündlichen Effekten kommen kann. Die Immunabwehr wird angeregt, die Immunzellen aktiviert und entzündliche Reaktionen gehemmt. Auch die Produktion verschiedener Wachstumsfaktoren, Zytokinen und / oder Interleukinen wird beeinflusst. Immunmodulatorische Substanzen regen bestimmte spezialisierte Abwehrzellen an, sogenannte Lymphozyten und Natural-Killer-Zellen (NK), die Tumorzellen angreifen können.

Lenalidomid (Revlimid®) wurde aus der Substanz Thalidomid entwickelt, wobei durch Änderung der Molekülstruktur die Wirksamkeit gegen Tumoren verstärkt wurde, anderseits konnte die unerwünschte Wirkung auf Nervengewebe (neurologische Nebenwirkung wie periphere Neuropathie) massgeblich reduziert werden. Als Nebenwirkungen traten Neutropenie, Thrombopenie, Müdigkeit und tiefe Venenthrombose auf.

Lenalidomid (Revlimid®) ist seit September 2007 in der Schweiz zugelassen. Revlimid ist in Kombination mit Dexamethason zur Behandlung von Myelom-Patienten, die mindestens eine Vortherapie erhalten haben, kassenzulässig.

Bortezomib (VELCADE®)

Mit Bortezomib (Velcade®) steht ein Wirkstoff aus der Gruppe der so genannten «Proteasomen-Hemmer» zur Behandlung des Multiplen Myeloms zur Verfügung. Die Substanz wirkt mit einem gezielten Wirkmechanismus auf die Myelomzellen: Sie blockiert bestimmte Stoffwechselvorgänge, auf die die Myelomzellen angewiesen sind. Die Myelomzellen können diese Störung in ihrem Zellstoffwechsel nicht verkraften und sterben ab. Gesunde Zellen reagieren weniger empfindlich auf die Unterbrechung der Zellvorgänge, so dass sie sich von der Wirkung des Medikaments wieder erholen.

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Velcade wurde in mehreren klinischen Studien untersucht. Diese zeigen, dass das Medikament bei zirka 35% stark vorbehandelten Patienten zu einer Abnahme des M-Proteins führt, selbst wenn andere Therapien nicht mehr gewirkt haben. Es können sogar Vollremissionen bei Patienten mit fortgeschrittenem Myelom auftreten. Als häufigste Nebenwirkungen traten eine reversible Verminderung der Thrombozyten, Sensibilitätsstörungen in Händen und Füssen («periphere Neuropathie»), Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Verstopfung auf.

Bortezomib (Velcade®) ist seit 2005 zur Behandlung eines rezidivierenden/refraktären Multiplen Myeloms in der Schweiz zugelassen. Seit März 2006 kann VELCADE® als sogenannte «Zweitlinien-Therapie», d.h. nach mindestens einer vorhergegangenen Therapie eingesetzt werden und ist kassenzulässig.

Zudem ist Bortezomib (Velcade®) in Kombination mit Melphalan und Prednison bei bisher unbehandelten Patienten mit Multiplem Myelom kassenzulässig

Pomalidomid (Imnovid®)

Bei Pomalidomid (Imnovid®) handelt es sich wie bei Lenalidomid um ein immunmodulierendes Medikament aus der gleichen Substanzklasse. Immunmodulierende Mittel sollen die Aktivität des Immunsystems (die natürliche Abwehr des Körpers) beeinflussen.

Pomalidomid (Imnovid®) wirkt auf unterschiedliche Weise bei der Behandlung des Multiplen Myeloms, ähnlich wie andere immunmodulierende Mittel, wie etwa Lenalidomid. Es soll die Entwicklung von Tumorzellen hemmen, die Bildung von Blutgefässen innerhalb der Tumoren blockieren und einige der spezialisierten Zellen des Immunsystems dazu anregen, die Tumorzellen anzugreifen. Wie bei Lenalidomid gibt es auch für Pomalidomid ein spezielles Schwangerschaftspräventionsprogramm, wo der Patient über Risiken aufgeklärt wird und die Sicherheitsmassnahmen diesbezüglich beschrieben werden.

«Pomalidomid (Imnovid®) in Kombination mit Dexamethason ist indiziert zur Behandlung von rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom (MM) bei Patienten, welche mindestens zwei vorgängige Therapien erhielten (inklusive Lenalidomid und Bortezomib) und welche eine Progredienz zur letzten Therapie gezeigt haben».

Dies heisst praktisch umgesetzt, dass der/die Patient/in mit Bortezomib (Velcade®) und Lenalidomid (Revlimid®) vorbehandelt sein muss. Es handelt sich damit um den Einsatz in der dritten Linie. Es soll in Kombination mit Dexamethason gegeben werden.

Pomalidomid (Imnovid®) ist von der Swissmedic (Heilmittelbehörde) jetzt zugelassen. Eine Vergütung durch die Krankenkasse via dem BAG (Bundesamt für Gesundheit) ist noch in Verhandlung, so dass auf alle Fälle eine Kostengutsprache eingeholt werden muss.

Ixazomib (NINLARO®)

Mit der am 3. Februar 2017 erfolgten Zulassung von Ixazomib (NINLARO®) in der Schweiz steht nun zum ersten Mal ein oraler Proteasom-Inhibitor für erwachsene Patienten mit Multiplem Myelom (MM) zur Verfügung. Ixazomib wurde in Kombination mit dem Immunmodulator Lenalidomid und Dexamethason für die Therapie von erwachsenen MM-Patienten, die mindestens eine vorangegangene Therapie erhalten haben und Hochrisikomerkmale aufweisen, oder mindestens zwei vorangegangene Therapien erhalten haben, zugelassen. Dies ermöglicht nun eine rein orale Therapie unter Einschluss eines Proteasom-Inhibitors für vorbehandelte erwachsene Patienten mit MM. Dies bietet das Potential, die Behandlung für diese Patienten wesentlich vereinfachen zu können.

Daratumumab (Darzalex®)

Daratumumab (Darzalex®) ist der erste, in der Schweiz zugelassene, gegen CD38 gerichteter humaner monoklonaler IgG1k Antikörper.

Seine Wirkung beruht auf der Bindung an das Glykoprotein CD38, ein Signalmolekül, das häufig auf der Oberfläche von MM-Zellen zu finden ist, unabhängig vom Grad der Erkrankung, sowie in unterschiedlichen Konzentrationen auf anderen Zelltypen und Geweben exprimiert wird. Dabei unterstützt Daratumumab das Immunsystem des Patienten bei der Bekämpfung der Krebszellen und trägt zu einem raschen Absterben der Tumorzellen durch unterschiedliche immun-vermittelte Mechanismen und immunmodulatorische Effekte bei, zusätzlich zur direkten Auslösung des Zelltodes durch Apoptose (programmierter Zelltod). Das CD38-Protein hat verschiedene Funktionen, wie z.B. rezeptorvermittelte Adhäsion, Signalübertragung und enzymatische Aktivität.  Für Daratumumab sind auch immunmodulatorische Effekte belegt, die durch Verminderung immunsuppressiver Zellen zum Absterben von Tumorzellen beitragen. Hierzu gehören T-reg-Zellen, B-reg-Zellen und myeloide Suppressorzellen.

Doxil

(langwirkendes liposomales Doxorubicin) als Ersatz für Adriamycin-Infusionen.

Mini-Transplantation (nicht-myeloablative)

Allogene Transplantation mit reduzierter Konditionierung.

Weitere interessante Substanzen befinden sich in der klinischen Erprobung.

Diese neuen Therapien haben bereits heute zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose geführt und es besteht berechtigte Hoffnung, dass die weitere Entwicklung zu noch grösserem Fortschritt führen wird. Es ist deshalb möglich, dass Ihnen das Mitmachen an einer Studie mit einer diesen neuen Substanzen empfohlen wird. Jede Person muss dabei selber entscheiden, inwieweit sie bei solchen Neuerungen mitmachen will. Für die Gesellschaft ist dies jedoch wichtig, weil nur durch Mitmachen bei Studien der Fortschritt weitergeführt werden kann.